Welche Rolle spielt graue Energie im Gebäude? Nachhaltigkeit ist im Bausektor nicht nur hinsichtlich der Nutzungszeit ein entscheidender Faktor. Das Schlagwort graue Energie rückt immer mehr in den Fokus und ist bei Neubauten und der Sanierung von Altbauten gleichermaßen relevant. In diesem Beitrag erfährst du, wie dieser Begriff definiert wird und was bei der Berechnung zu beachten ist.
Was ist graue Energie? Eine Definition
Für den Begriff graue Energie ist die Definition in Deutschland zwar nicht einheitlich geregelt, meist handelt es sich dabei jedoch um den insgesamt für ein Produkt aufzuwendenden Energiebedarf. Dies umfasst neben der Herstellung der benötigten Materialien auch Transport und Lagerung über die Nutzung bis zur Entsorgung. Auch Rohstoffgewinnung und Vorproduktion sind in die Betrachtung einzubeziehen. Vereinfacht lässt sich die graue Energie bei Gebäude, Ware & Co. als indirekter Energiebedarf definieren.
Was ist graue Energie bei Gebäuden?
Nachhaltiges Bauen gewinnt zunehmend an Bedeutung, daher spielt die graue Energie in der Architektur ebenfalls eine wichtige Rolle. Immer wieder ist bei Gebäuden von der Lebenszyklusbetrachtung die Rede. Bisher lag das Augenmerk bei Gebäuden fast ausschließlich auf der Nutzungsphase, in die Gesamtbetrachtung sind jedoch alle Phasen einzubeziehen:
Herstellungsphase (Beschaffung bzw. Herstellung und Transport der Rohstoffe)
Bauphase (Transport der Materialien zur Baustelle und anschließender Bau)
Nutzungsphase (Nutzung, Reparaturen, Instandhaltung, Umbau, Renovierung, Sanierung)
Entsorgungsphase (Abbruch, Abtransport, Abfallbewirtschaftung, Deponierung bzw. Recycling)
Mit Blick auf die Nachhaltigkeit rücken nun die Lebenszyklusbetrachtung und die graue Energie auch beim Gebäude verstärkt in den Fokus. Um graue Energie zu berechnen, ist somit der gesamte Lebenszyklus relevant.
Was sind graue Emissionen?
Je höher der Anteil grauer Energie ist, umso höher sind die Belastungen für Umwelt und Klima. Basierend auf dieser vereinfachten Faustformel werden die Bezeichnungen graue Energie und graue Emissionen häufig synonym verwendet.
Allerdings sind die beiden Aspekte differenziert zu betrachten. Der Begriff graue Emissionen bezieht sich in erster Linie auf die Treibhausgasemissionen und ein hoher Bedarf an grauer Energie bedingt nicht in jedem Fall zwangsläufig einen hohen CO2-Ausstoß. Bei ganzheitlicher Betrachtung kann sich die Energiebilanz eines vermeintlich negativ bewerteten Rohstoffes hinsichtlich der grauen Emissionen durchaus als positiv erweisen. Entscheidend sind diesbezüglich beispielsweise die Nutzungsdauer sowie Recycling- bzw. Wiederverwertungspotenziale.
Beispiele für graue Energie von Baustoffen
Zum besseren Verständnis für den Faktor graue Energie sind Beispiele sinnvoll. Da der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes zu betrachten ist, lohnt sich ein genauer Blick auf die graue Energie der Materialien, die beim Hausbau zum Einsatz kommen. Abhängig von den verwendeten Baumaterialien variiert der individuelle Bedarf eines Gebäudes. Bei jedem Baustoff hinsichtlich Herstellungsaufwand, Lebensdauer und Entsorgung spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Nachstehend sind für Baustoffe und graue Energie einige Beispiele aufgelistet.
Graue Energie von Beton
Beton ist einer der wichtigsten Baustoffe, die Herstellung ist jedoch meist mit hohen CO2-Emissionen verbunden. Die graue Energie von Beton ist daher ein wesentlicher Faktor, insbesondere der vielfach eingesetzte Stahlbeton gilt als sehr energie- und ressourcenintensives Baumaterial. Der Energiebedarf für die Herstellung von klassischem Porenbeton liegt bei etwa 1.672 MJ pro m3 (Megajoule pro Kubikmeter).
Graue Energie von Dämmstoffen
Beim Blick auf die graue Energie sind die Dämmstoffe ebenfalls relevant. Für die Herstellung von Mineralwolle zur Fassadendämmung ist ein Energiebedarf von 818,9 MJ pro m3 einzukalkulieren. Hier ist allerdings auch die Nutzungsdauer ein entscheidender Faktor, da der Einsatz von Dämmstoffen hinsichtlich CO2 und Energie ein hohes Einsparpotenzial entfaltet. In einem anderen Blog-Beitrag haben wir uns ausführlich mit der Energiebilanz und der Nachhaltigkeit von verschiedenen Dämmstoffen (mineralische, synthetische und ökologische) beschäftigt.
Graue Energie von Holz
Holz ist ein nachwachsender Rohstoff und ist daher ein beliebter Baustoff für nachhaltiges Bauen. Sein Einsatz reduziert den Anteil anderer Rohstoffe und fossiler Energien und somit die graue Energie im Gebäude. Bei sägerauem Massivholz ist mit einem geringen Anteil grauer Energie zu rechnen, durch Verarbeitungsprozesse (technische Trocknung, Veredelung etc.) steigt dieser Anteil jedoch. So liegt beispielsweise Energiebedarf von Konstruktionsvollholz bei 1.147 MJ pro m3, bei Massivholzplatten sind von 2.273 MJ pro m3 auszugehen.
Graue Energie von Photovoltaik
Da der Anteil grauer Energie wesentlich von der Materialmenge abhängt, wirkt sich der Trend zu leichten und effizienten Materialien deutlich positiv aus. Moderne Photovoltaik-Anlagen schneiden beim Thema graue Energie im Gebäude daher erfreulich gut ab. Der Energiewert zur Herstellung einer Photovoltaik-Anlage liegt bei etwa 3.913 MJ pro m2.
Berechnung der grauen Energie von Gebäuden
Die oben genannte Zahlen für graue Energie, die als Beispiele genannt sind, beziehen sich ausschließlich auf den jeweiligen Herstellungsprozess. Um die graue Energie zu berechnen, die mit sich auf den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes relevant ist, sind daher noch weitere Faktoren zu berücksichtigen.
Die graue Energie im Gebäude ergibt sich aus der Gesamtsumme der benötigten Energie von der Materialbeschaffung und Errichtung über die Nutzung bis zu Abbruch und Entsorgung oder Wiederverwertung der Materialien. Dabei sind auch Instandhaltungsmaßnahmen in die Berechnung einzubeziehen.
Folgende Datenbanken und Tools ermöglichen eine Berechnung der grauen Energie von Gebäuden:
Ökobau.dat-Datenbank
Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) hat eine Plattform namens ÖKOBAUDAT ins Leben gerufen, die eine einheitliche Datenbasis für die Ökobilanzierung von Bauwerken bereitstellt. Die Plattform enthält eine Online-Datenbank mit Ökobilanz-Datensätzen zu Baumaterialien, Bau-, Transport-, Energie- und Entsorgungsprozessen.
Ökobilanzierungstool eLCA
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt-und Raumforschung (BBSR) stellt das Ökobilanzierungstool eLCA bereit (welches auf den ÖKOBAUDAT-Datensätzen basiert). eLCA ist im Rahmen des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen (BNB) verpflichtend anzuwenden. Das Tool ermöglicht es Nutzern, die Umweltwirkungen von Gebäuden einfach und schnell zu bewerten und dabei den gesamten Lebenszyklus zu berücksichtigen.
Fazit: Betrachtung der grauen Energie elementar für nachhaltiges Bauen
Die Wahl der Materialien für Bau, Instandhaltung oder Renovierung eines Gebäudes und selbst kleinere Maßnahmen zur energetischen Sanierung können mit Blick auf die gesamte Lebenszeit eines Gebäudes die ökologische Gesamtbilanz deutlich verbessern.