Nachhaltigkeit wird häufig mit Verzicht in Verbindung gebracht. Dass das nicht stimmt, zeigt das Konzept der hedonistischen Nachhaltigkeit. In diesem Beitrag zeigen wir dir anhand vom nachhaltigen Bauen was das genau bedeutet.
Zu diesem Beitrag wurden wir von Hannah Ernsts Beitrag Hedonistic Sustainability: Warum Gutes Tun nicht unbedingt weh tun muss bei amazed inspiriert. Beim Lesen des Beitrags haben wir sofort das Gefühl bekommen: Genau so hat sich unser Hausbau angefühlt.
Was ist hedonistische Nachhaltigkeit?
Hedonistische Nachhaltigkeit geht von der Idee aus, dass die Bemühungen um einen nachhaltigen Lebensstil nicht zwingend mit Entbehrungen und Verzicht verbunden sein müssen. Vielmehr sollte es möglich sein, Vergnügen und Genuss im Einklang mit nachhaltigem Handeln zu erleben. Die zentrale Frage ist: Warum sollte "Gutes Tun" weh tun? Und gibt es nicht Möglichkeiten, sowohl Spaß zu haben als auch nachhaltig zu leben?
Schlussendlich zielt hedonistische Nachhaltigkeit darauf ab, eine Balance zwischen dem eigenen Wohlbefinden und einem verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen zu finden. Es geht nicht darum, sich selbst zu verleugnen, sondern darum, nachhaltige Wege zu finden, die genauso, wenn nicht sogar mehr Freude bereiten.
Ist das nicht das Gleiche wie LOHAS?
Wenn du dir jetzt denkst „Hört sich irgendwie nach LOHAS an…“, hast du nicht ganz unrecht. Sicherlich ist hedonistischen Nachhaltigkeit ein wichtiger Antrieb von LOHAS-Konsumenten.
Aber irgendwie passt das auch nicht so richtig. Aus unserer Sicht ist das zentrale Motiv von LOHAS eher die Vernunft und beim Hedonismus eher der Spaß.
Was hedonistische Nachhaltigkeit und nachhaltiges Bauen verbindet?
Die Vorstellung der hedonistischen Nachhaltigkeit wurde maßgeblich vom dänischen Architekten Bjarke Ingels geprägt. Er stellte 2011 Projekte vor, die nicht nur nachhaltige Ziele verfolgten, sondern auch Vergnügen und Spaß in den Vordergrund rückten.
Nachhaltiger Hedonismus im Kontext des nachhaltigen Bauens ist so zu interpretieren, dass gerade durch das nachhaltige Bauen ein gutes Gefühl bei den Beteiligten einsetzt. Nämlich: Durch nachhaltiges Bauen wird das Wohlgefühl, der Komfort und die Freude der Menschen, die die Gebäude nutzen, in den Vordergrund gestellt.
Und genau das ist ja auch ein Aspekt der drei Haupt-Dimensionen des nachhaltigen Bauens: Die soziokulturelle und funktionelle Qualität eines Gebäudes. Diese stellt die Nutzerbedürfnisse und Funktionalität, sowie kulturelle und ästhetische Aspekte eines Gebäudes in den Vordergrund.
Wie nachhaltiges Bauen hedonistische Motive bedient…
Hannah Ernst hat es in ihrem Beitrag so formuliert:
Wir brauchen also hedonistische Alternativen, die nachhaltiger sind als unsere herkömmlichen Gewohnheiten: Wie wenn man auf dem Flohmarkt Original Y2K Boots findet, statt einem Imitat aus einer aktuellen Fast Fashion Kollektion. Metallstrohhalme, mithilfe derer wir uns beim Trinken unseres Iced Lattes luxuriöser fühlen, als mit einem Pendant aus Plastik. Veganes Lachs-Sushi, das dem überzüchteten Fisch im Geschmack in nichts nachsteht.
Übertragen auf das nachhaltige Bauen bedeutet das zum Beispiel:
Natürliche Materialien: Der Einsatz von natürlichen, lokal verfügbaren Baustoffen kann nicht nur den ökologischen Fußabdruck eines Gebäudes verringern, sondern auch ein angenehmeres, gesünderes Raumklima schaffen und die Ästhetik eines Gebäudes erhöhen.
Natürliches Licht und Belüftung: Große Fenster, Oberlichter und effektive Lüftungssysteme können dazu beitragen, den Energieverbrauch zu reduzieren und gleichzeitig helle, luftige Räume zu schaffen, die das Wohlbefinden steigern.
Grüne Räume, Dächer und Fassaden: Integration von begrünten Dächern, vertikalen Gärten oder Innenhöfen. Diese Elemente können die Luftqualität verbessern, zur thermischen Regulation des Gebäudes beitragen und einen Raum der Entspannung und Verbindung mit der Natur bieten.
Autarkie und Selbstversorgung: Die Integration von Technologien und Lösungen, die ein Gebäude autark machen können, wie Solarmodule zur Energieerzeugung, Regenwassersammelsysteme oder auch der eigene Gemüsegarten, fördert das Gefühl der Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Wenn Bewohner wissen, dass ihr Zuhause einen Großteil seiner eigenen Ressourcen produzieren oder wiederverwenden kann, entsteht ein gesteigertes Gefühl der Zufriedenheit und des Wohlstands. Es ist nicht nur ökologisch vorteilhaft, sondern gibt den Menschen auch das befriedigende Gefühl, für sich selbst und ihre Gemeinschaft zu sorgen, ohne sich stark auf externe Systeme verlassen zu müssen.
Wiederverwertung des Bestehenden: Die Kunst, Bestehendes zu erhalten und in einem neuen Kontext neu zu gestalten, ist nicht nur nachhaltig, sondern auch ästhetisch und emotional lohnend. Angefangen von alten Steinmauern im Garten, die Geschichten von vergangenen Zeiten erzählen, bis hin zu kernsanierten Altbauten, die modernen Komfort mit historischem Charme verbinden – aus Altem Schönes entstehen zu lassen, ist eine Form der hedonistischen Nachhaltigkeit. Es bewahrt nicht nur die Geschichte und Kultur eines Ortes, sondern vermittelt auch ein tiefes Gefühl von Beständigkeit und Kontinuität. Im Vergleich zum Kauf von fabrikneuen Materialien oder Gebäuden kann die Wiederverwertung des Bestehenden ein viel intensiveres Gefühl von Zufriedenheit und Verbindung zur Umgebung schaffen. Es erinnert uns daran, dass wahre Schönheit oft in der Wertschätzung und Neugestaltung von dem liegt, was bereits existiert, anstatt ständig nach Neuem zu suchen.
Übrigens sind bei fast allen dieser genannten Punkte nicht nur die ökologische sowie die soziokulturelle und funktionelle Qualität des nachhaltigen Bauens gegeben, sondern häufig auch die Ökonomische.
Nachhaltiges Bauen bedeutet aber auch Verzicht
Aber klar ist auch - während das nachhaltige Bauen viele attraktive Möglichkeiten und Vorteile bietet, bringt es auch notwendige Kompromisse und Verzichte mit sich:
Kleinere Gebäude: Ein Schlüsselprinzip des nachhaltigen Bauens ist die Effizienz. Dies bedeutet oft, kleinere, aber gut durchdachte und funktionale Räume zu schaffen. Große Gebäude verbrauchen in der Regel mehr Ressourcen in Bezug auf Materialien, Energie und Land. Ein kleinerer Fußabdruck verringert den Energieverbrauch und minimiert die Umweltauswirkungen, ohne den Wohnkomfort zu beeinträchtigen.
Weniger Einfamilienhäuser: Die Bevorzugung von Mehrfamilienhäusern oder Reihenhäusern gegenüber Einfamilienhäusern kann zu einer effizienteren Nutzung von Land und Ressourcen führen. Diese Wohnformen können zudem eine stärkere Gemeinschaft fördern und reduzieren die Notwendigkeit von Verkehr und Infrastruktur.
Verzicht auf Annehmlichkeiten: Nicht jedes Haus oder jede Wohnung benötigt eine Sauna oder eine Doppelgarage. Nicht jedes Bad braucht eine Badewanne und nicht jede Küche einen Side-by-Side-Kühlschrank. Solche Annehmlichkeiten können den Energie- und Wasserverbrauch erhöhen und die Umweltauswirkungen eines Gebäudes vergrößern.
Auf exotisches verzichten: Auch wenn es verlockend sein mag, exotische Materialien aus der ganzen Welt zu importieren, ist es nachhaltiger, lokale Ressourcen zu nutzen. Dies verringert den CO2-Fußabdruck, der mit dem Transport dieser Materialien verbunden ist, und unterstützt gleichzeitig lokale Wirtschaften.
Indem wir bereit sind, in bestimmten Bereichen Abstriche zu machen, öffnen wir die Tür zu einem nachhaltigeren Lebensstil und einer besseren Zukunft für alle. Dieser Verzicht ist nicht unbedingt ein Opfer, sondern vielmehr eine bewusste Entscheidung, Prioritäten zu setzen und die langfristigen Vorteile gegenüber kurzfristigem Nutzen zu sehen.
Fazit: Hedonistische Nachhaltigkeit kann als wichtiges Motiv zum Gelingen der Dekarbonisierung des Bausektors beitragen (zumindest in Deutschland)
Aus unserer Sicht ist das genau der richtige Ansatz für den Bausektor. In Deutschland muss in den kommenden Jahren massiv gebaut werden. Um die Klimaziele nicht zu verfehlen, muss der Bausektor - als einer der Hauptverursacher der weltweiten CO2-Emissionen - daher unbedingt nachhaltiger werden.
Wir finden: Hedonistische Nachhaltigkeit kann als wichtiges Motiv zum Gelingen der Dekarbonisierung des Bausektors beitragen.
(Und na klar, niedrigere Zinsen auch.)